Mit einem gemalten Bande

Im Deutschunterricht der 10. Klasse entstand folgende gelungene Gedichtinterpretation:

Das Gedicht „Mit einem gemalten Bande“ wurde 1770/71 von Johann Wolfgang Goethe geschrieben. Es handelt von dem Wunsch des lyrischen Ich, eine dauerhafte Bindung mit seiner Geliebten einzugehen.

Das Gedicht beginnt damit, dass das lyrische Ich ein Band bemalt, um es seiner Liebsten zu schenken. Es wird dabei von Frühlings-Göttern unterstützt, die ihm beim Bemalen assistieren. In den letzten beiden Strophen vergleicht es die Geliebte mit einer Rose und drückt seine Gefühle für sie aus.

Das gesamte Gedicht ist in vier Strophen à vier Verse unterteilt, was eine für Lieder typische Form ist. Dadurch wirkt das Gedicht auf Leser mit mehr Leichtigkeit und die in ihm zum Ausdruck gebrachten Frühlingsgefühle werden verstärkt.

Direkt am Anfang wird ein Stilmittel verwendet: Die Anapher „Kleine Blumen, kleine Blätter“ (V. 1) gestaltet den Gedichtanfang eindringlich und schön anzuhören, was für ein Liebesgedicht von besonderem Vorteil ist.

Um das Gedicht – dem Frühling entsprechend – lebendig zu gestalten, nutzt Goethe zwei Personifikationen: „Gute junge Frühlings-Götter“ (V. 3) als Darstellungsweise der Lebensenergie, die das lyrische Ich durch den Frühling bekommt, und „Zephyr, nimm’s auf deine Flügel / Schling’s um meiner Liebsten Kleid“ (V. 5-6) als Personifikation eines leichten Frühlingswindes, der das Geschenk des lyrischen Ich an seine Liebste überreicht. Letztere [Personifikation] ist auch passend, da solche Bänder, wie sie hier beschrieben werden, häufig im Wind wehten, wenn sie um die Taille gebunden waren. Im Gedicht „überreicht“ nun der Wind, der das „luftig Band“ (V. 4) dauerhaft begleiten wird, selbiges.

Der Ausdruck „Sieht mit Rosen sich umgeben, / selbst wie eine Rose jung“ (V. 9-10) spielt auf die Verzierung des Bandes mit Rosen an. Diese Verzierung wird im zehnten Vers dann mit der Geliebten des lyrischen Ich verglichen. Der Vergleich stellt eine Verbindung zwischen der Liebe und der Natur her. In den darauffolgenden Versen „Einen Blick, geliebtes Leben! / Und ich bin belohnt genug“ (V. 11-12) drückt das lyrische Ich seine Hingezogenheit zu seiner Liebsten aus, wodurch es aber gleichzeitig ausdrückt, wie sehr es auch die Natur bewundert, weil Natur und die Geliebte vorher miteinander verglichen wurden.

Zuletzt fordert das lyrische Ich noch: „Und das Band, das uns verbindet / Sei kein schwaches Rosenband!“ (V. 15-16). Es fordert also ein festeres Verhältnis zwischen sich und seiner Geliebten.

Dies steht aber im Gegensatz zum späteren Verhalten Goethes im echten Leben:
Er schreibt dieses Gedicht 1770/71, zu dieser Zeit ist er als Jurastudent in Straßburg. Er kommt bei seinen Freizeitausritten immer wieder in das Dorf Ses(s)enheim, wo er sich in die Pfarrerstochter Friederike Brion verliebt. Es ist also davon auszugehen, dass er das Gedicht für sie schreibt. Während er als lyrisches Ich in dem Gedicht fordert, sich enger aneinander zu binden, verhält er sich in der Realität ganz anders. Dort verlässt er Friederike nämlich, weil er sich nicht dauerhaft binden will. Zur Zeit, als das Gedicht geschrieben wurde, denkt er vielleicht noch, dass sie sich auf ewig verbinden würden, doch so geschieht es nie. Friederike findet nach dieser Trennung nie wieder einen Partner, mit dem sie zusammenleben kann.

Das Geschenk des bemalten Bandes drückt also den Wunsch einer dauerhaften Bindung aus, die am Ende nie in der Realität geschehen sollte.

Text: Leander Sokolowski, Klasse 10a (Schuljahr 2023/24)
Bildquelle: Wikipedia